QUANTUS - Quantengase unter Schwerelosigkeit

Das klassische Äquivalenzprinzip ist vielleicht nicht jedem ein Begriff, seine Aussage dafür aber umso mehr: "In einem Vakuum fallen alle Körper gleich schnell." So selbstverständlich diese Aussage allerdings klingen mag, sie ist nicht unbedingt wahr: Wenn zum Beispiel die träge Masse eines Körpers nicht zwingend mit seiner Gravitationsmasse übereinstimmt, wäre sie falsch. In der QUANTUS-Kollaboration[1] werden Apparaturen entwickelt, die die Frage, ob wirklich alle Körper gleich schnell zu Boden fallen, auf immer genaueren Niveaus beantworten können.

Beim FWJ-Projekt "QUANTUS" wirst Du drei verschiedene Experimente kennenlernen: Das ursprüngliche und namensgebende Experiment, QUANTUS findet im Fallturm Bremen statt. Die MAIUS (Materiewelleninterferometer unter Schwerelosigkeit) Experimente, die zur QUANTUS Gruppe gehören, werden für Höhenforschungsraketen konstruiert, um längere Falldauern zu ermöglichen. Außerdem wirst Du bei BECCAL mitarbeiten, einem Experiment, das auf der Internationalen Raumstation (ISS) installiert werden soll.

Träge Masse und Gravitationsmasse

Die träge Masse, auch Inertialmasse genannt, beschreibt die Masse eines Körpers, die beschleunigt werden muss, um diesen zu bewegen. Sie findet man zum Beispiel in der Gleichung F = m*a.


Die Gravitationsmasse, auch schwere Masse genannt, beschreibt die Masse des Körpers, auf die die Schwerkraft wirkt, also im Prinzip die Ladung des Körpers in Bezug auf die Gravitation. Sie ist in der Gleichung F = m*g enthalten. Wenn träge und schwere Masse nun nicht übereinstimmen, gilt auch nicht für jeden Körper im freien Fall a = g. Verschiedene Körper könnten also auch im Vakuum unterschiedliche Fallverhalten aufweisen.

QUANTUS

Mit den QUANTUS Experimenten begann 2004 die Arbeit der QUANTUS Kollaboration. Sowohl QUANTUS 1 als auch das seit 2013 betriebene QUANTUS 2 Experiment führen für den Fallturm Bremen konstruierte Experimente durch, die circa 4.74 Sekunden freien Fall im Vakuum erfahren. Im November 2007 konnte das erste Bose-Einstein-Kondensat in Schwerelosigkeit realisiert werden. Zwischen 2004 und 2018 fanden pro Jahr bis zu über 100 Abwürfe oder Katapultstarts der Experimente statt.

MAIUS

Mit der MAIUS-1 Mission wurde im Januar 2017 das erste Bose-Einstein Kondensat in Weltraum realisiert. Der Erfolg der MAIUS-1 Mission ebnete den Weg für weitere Missionen, die neben dem für MAIUS-1 eingesetzten Rubidium auch Kalium verwenden sollen. Die Bose-Einstein Kondensate dieser Elemente werden als Quellen für Atom Interferometrie Experimente genutzt. Die besondere Herausforderung der MAIUS-Missionen ist die Konstruktion eines besonders kompakten und stabilen Experiments.

BECCAL

BECCAL (Bose-Einstein Condensate and Cold Atom Laboratory) ist ein bilaterales Projekt der NASA und des DLR (Deutsches Luft- und Raumfahrtzentrum). Aufbauend auf den Erfahrungen der QUANTUS und MAIUS Experimente sowie des von der NASA durchgeführten CAL (Cold Atom Laboratory) Projekts, soll mit BECCAL ein atom-optisches Experiment für die ISS realisiert werden. Besonderes Augenmerk hierbei ist es, in einem Aufbau möglichst viele verschiedene Experimente zu ermöglichen.

Atominterferometer

Um fallende Körper im Vakuum besonders genau beobachten zu können, machen die Experimente der QUANTUS-Gruppe sich die Welleneigenschaften von Materie zunutze. Diese ermöglichen es, fallende Körper besonders genau zu beobachten, ohne dabei viel von außen auf die Körper einwirken zu müssen - denn jede Einwirkung würde die Messungen bedeutend ungenauer machen. Die Beobachtung findet in sogenannten Atominterferometern statt. Ein Atominterferometer funktioniert ganz grundlegend erstmal wie zum Beispiel das vermutlich  aus dem Physikunterricht bekannte Michelson-Interferometer: Auch hier wird das Interferenzmuster von Wellen und seine Veränderung unter bestimmten Einflüssen beobachtet. 

In Atominterferometern werden Materiewellen verwendet, die sich Bose-Einstein-Kondensate nennen. Sie entstehen, wenn ein Gas sehr nah an den absoluten Nullpunkt heruntergekühlt wird. Die Atome bewegen sich in diesem Zustand kaum, sodass ihre Welleneigenschaft in den Vordergrund tritt. 

Vergleicht man nun die Interferenzmuster zweier Bose-Einstein-Kondensate verschiedener Stoffe, während diese sich im freien Fall befinden, so kann man Rückschlüsse auf deren Fallverhalten im Vergleich zueinander ziehen. Damit soll unter anderem die Gültigkeit des oben genannten Äquivalenzprinzips untersucht werden. Die Genauigkeit solcher Experimente steigt mit der Fallzeit. In den Höhenforschungsraketen der MAIUS Mission befindet sich das Experiment schon ca. 6 Minuten im freien Fall - ein bedeutender Unterschied zu den wenigen Sekunden, die die QUANTUS-Experimente im Fallturm Bremen erfahren. Für die Apparatur, die bei BECCAL auf die ISS geschickt werden soll, wäre die Fallzeit nochmals sehr viel höher, denn die ISS fällt gewissermaßen dauerhaft um die Erde herum. 

Die Magneto-Optische Falle

Zum Kühlen der Bose-Einstein-Kondensaten werden unter anderem sogenannte magneto-optische Fallen (MOTs) eingesetzt. Diese entstehen aus der Überlagerung eines speziell konfigurierten Magnetfeldes mit Laserlicht, die das Elementgas gemeinsam sowohl zentrieren als auch abkühlen.

In der QUANTUS-Kollaboration werden typischerweise zwei MOTs an ein Reservoir des verwendeten Stoffes angehängt. Dieser wird dann verdampft und gelangt zunächst in die 2D-MOT, in der er von zwei Seiten mittels verschiedener Methoden gekühlt wird, sodass ein Atomstrahl entsteht. Dieser Atomstrahl wird in der 3D-MOT schließlich von allen Seiten weiter abgekühlt.

Die MOTs bedienen sich unter anderem dem Verfahren der Laserkühlung, das hier sehr verständlich erklärt ist. Dieses ist allerdings an das sogenannte Dopplerlimit gebunden, kann also nicht bis unter einen bestimmten Punkt kühlen. Auf die MOTs folgen daher Magnetfallen, in denen schließlich durch evaporatives Kühlen ein Bose-Einstein-Kondensat erzeugt wird.

Für diese Verfahren, sowie zur Detektion des Interferenzmusters wird Laserlicht benötigt. Der Umgang mit und die Konstruktion von Lasern ist daher ein großer Teil der Arbeit am Institut für Quantenoptik. 

Deine Aufgaben

Bei "QUANTUS" ist an vielen Stellen Deine Hilfe gefragt. Nach dem erfolgreichen Start der MAIUS I Rakete im Januar 2017 wird nun an der nächsten Payload für die MAIUS Mission gearbeitet, die sowohl Rubidium als auch Kalium Bose-Einstein-Kondensate erstellen soll. Dabei kannst Du am Aufbau des Atominterferometers mitwirken und das Testen derselben z.B. durch den Bau eines Lasers unterstützen. Zudem wird in der zweiten Hälfte dieses Jahres mit der Konstruktion des BECCAL-Aufbaus begonnen. Hier ist eine ruhige Hand gefragt!

Dazu kommen viele weitere Aufgaben, von der Planung und Herstellung elektronischer Geräte, die die Forschung unterstützen, bis hin zur Durchführung eigener Messungen. 


[1] Eine Zusammenarbeit des Institut für Quantenoptik (IQO) der Leibniz Universität Hannover; ZARM, Universität Bremen; DLR - Institut für Raumfahrtsysteme, Bremen; Institut für Laserphysik, Universität Hamburg; Institut für Physik, AG Optische Metrologie (QOM), Humboldt-Universität zu Berlin; Max-Planck-Institut für Quantenoptik (MPQ), München;  Institut für Quantenphysik, Universität Ulm und des Institut für angew. Physik, TU Darmstadt